Naturwissenschaft vs Theologie

In Gesprächen und Diskussionen über Gott kommen Menschen immer wieder an Hürden oder Mauern, die das Verstehen schwer bis unmöglich machen. Das hat natürlich Gründe und die liegen nicht zuerst in der Sache. Ein paar Bedingungen für ein konstruktives und respektvolles Gespäch möchte ich hier vorstellen.

Die Frage der Macht

Über Jahrhunderte hat die Kirche die Diskussion aus einer Position der Macht beherrscht. Das haben kluge Forscher wie Galileo Galilei, Johannes Kepler, Charles Darwin und viele andere leidvoll erfahren. Diese Schuld belastet auch heutige Diskussionen.

Als TheologInnen müssen wir für diese Schuld einstehen und das heißt auch, sie öffentlich immer wieder eingestehen.

Menschliche Arroganz

Manche echte Leidenschaft für die Wahrheit schafft Leid, wenn die eigenen Erkenntnisse blind oder taub für die Einsichten des Gegenübers machen. Niemand besitzt DIE Wahrheit – aber im echten Dialog können verschiedene Aspekte sichtbar und hörbar werden z.B. die berühmte zweite Seite der Medaille.

Statt als TheologInnen unsere Erkenntnisse missionarisch zu verbreiten, sollten wir ersteinmal fragen und zuhören, was wir von unserem Gegenüber lernen können. Aus der Haltung des Lernen wollens kann dann tatsächlich ein gemeinsames Lernen miteinander werden.

Objektivierung oder Subjektivität

Auf dem Grad der Erkenntnissuche rutschen wir schnell zur einen oder anderen Seite ab. Wer alles im Namen der Vernunft versachlicht und damit zum Ding macht, verliert die emotionale Intelligenz. Wer alles in das individuelle Belieben der persönlichen Sichtweise stellt, verliert sich in der Beliebigkeit der Standpunkte.

Zielführender Erkenntnisgewinn ist auch eine Frage der Balance und Integrationsfähigkeit unterschiedlicher Zugänge des Wissens.

Denkverbote

Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, bauen wir Menschen gerne Bretterzäune um unser Denken. Insbesonders wenn eine Denkweise sich zur Ideologie verhärtet. In dieses Gefängnis können sich auch WissenschaftlerInnen in allen Fachgebieten einsperren, gebaut aus den Mauern der Angst. Sei es mit der Behauptung, es gibt Gott – oder – es gibt Gott nicht.

Der Schlüssel aus diesem Gefängnis ist Respekt, Freundlichkeit, Mut und Neugierde und öffnet das Tor zur Freiheit des Denkbaren. Machmal wünschte ich mir Sätze, die so anfangen: “Es wäre doch denkbar, dass …”, um dann die möglichen Folgen und Auswirkungen eines Gedankens miteinander abzuwägen.

Die Fisch-Perspektive

Kann ein Fisch wissen, was Wasser ist? Wahrscheinlich erst in der existentiellen Notlage, wenn er aus seinem Lebensraum herausgerissen wird – nur ist es dann meistens zu spät.
Wir können über Gott nur aus der Innen-Perspektive der Zugehörigkeit zur Welt denken und reden. Wir haben keine Außenperspektive auf die Welt und das Leben und können nicht so reden, als wenn wir selbst Gott wären. Ich bin immer sehr skeptisch, wenn jemand einen Satze beginnt: “Gott ist …”

Dass es Gott gibt oder, dass es Gott nicht gibt – sind beides Äußerungen des Glaubens. Ich kann so denken und reden, als ob es Gott (nicht) gäbe. Damit ist aber nichts bewiesen oder erklärt – weder pro noch contra. Gott aus unserem Denken auszusparen ist nicht vernünftiger, als Gott hineinzunehmen. Es ist viel gewonnen, wenn wir uns das in einer Diskussion zugestehen.

Die Sprache

Als Menschen vermenschlichen wir.
Christen reden von Gott als ein persönliches DU mit Eigenschaften und Absichten, hoffentlich wissend, dass Gott größer ist als meine Sprachmuster.
Auch NaturwissenschaftlerInnen vermenschlichen, wenn sie von der Natur oder der Evolution reden, die etwas kann, hervorbringt, verbietet oder erlaubt, obwohl sie wissen, dass die Natur gar kein Subjekt ist.

Wenn ich als Theologe Gott als DU anspreche, dann weiß ich, dass Gott weder Ohren hat, noch ein deutsches Wörterbuch braucht. Ich kann aber nicht anders als menschlich und in meiner Sprache von und mit Gott sprechen. Religion nutzt deshalb auch Symbole und Rituale, Kultur und Traditionen, um zu gestalten, was mit Worten allein nicht zu fassen ist.

Der Begriff Gott

ist verbunden mit Vorstellungen. Das gilt für alle Begriffe – sowohl begreifbare als auch nicht materielle. Schon der Begriff eines begreifbaren “Baumes” hat sehr unterschiedliche Bedeutungen je als GärtnerIn oder TischlerIn, im Straßenbau oder der Klimakrise, für Liebende oder ein Sägewerk. Für nichtmaterielle Begriffe wie Freiheit und Hoffnung, Freude oder Wut gilt das noch mehr. Sie sind gefüllt mit Erlebnissen, denen wir eine “Be-Deutung” geben.
Das biblische Bilderverbot berücksichtig diese Erkenntnis. Es soll nicht verhindern, dass ich mir eine Vorstellung von Gott mache, aber soll mich davor bewahren, meine Vorstellung zu vergöttern.

Wenn ich mit jemanden über Gott diskutiere, braucht es Zeit und Aufmerksamkeit zu klären, von welcher Gottesvorstellung ich rede. Das ist eine echte Herausforderung, aber kann helfen, Missverständnisse aufzudecken.

Gott ausschließen

ist eine erfolgreiche, naturwissenschaftliche Arbeitsweise, wenn es darum geht, funktionale Erklärungen für die materielle Welt zu beschreiben. Ich möchte sagen: Gott sei Dank. Wir verdanken der Naturwissenschaft viele sichere und belastbare Werkezuge, Erkenntnisse und Errungenschaften, ohne dass wir dazu Gott (miss-)brauchen.
Zugleich haben wir in den meisten Krisen unserer Zeit kein Erkenntnisdefizit und tragen trotz unseres Wissens aktiv zu diesen Krisen bei. Selbst wenn wir die Klimakrise nicht leugnen und sogar seit 50zig Jahren Ziele und Wege zur Vermeidung konkret beschreiben können, verschärft sich die Dramatik unseres menschengemachten, weltweiten Handlens.
Die Naturwissenschaft bietet darauf keine Antwort und der Glaube, dass technische Lösungen und zukünftige wissenschaftliche Errungenschaften uns aus diesen Krisen erlösen, erscheint mir als ein postmoderner Aber-Glaube.

Gott einschließen

ist schon im wörtlichen Sinne keine Lösung, wenn wir Gott als Erklärungsmuster missbrauchen oder unsere Verantwortung abwälzen wollen. Gott funktioniert nicht als Über-Elter, ZuberkünstlerIn oder Beruhigungsmittel.
Zugleich ist Gott nicht rätselhaft im Sinne einer nicht lösbaren Rätselaufgabe, die ich gedankenverloren akzeptieren muss.
Gott ist denkbar, zum Beispiel als das Geheimnis des Lebens, das nicht aufgelöst werden muss, aber sich mir erschließt, wenn ich mich dafür öffne.
Theologie ist keine Erklärungswissenschaft, sondern eine reflektierte Haltung und eine Weise auf das Leben so zu antworten, dass sein Geheimnis mich berühren kann.

Auf ehrlicher Augenhöhe

wünsche ich mir Gespräche und Diskussionen zwischen Menschen sowieso und auch zwischen unseren Wissenschaften. Dazu braucht es eine Haltung der Offenheit und des Respektes füreinander und die verbindenden Fragen.

Aus meiner Sicht sind es die grundlegenden Fragen nach der Bedeutung unseres ganz individuellen Lebens und unseres Zusammenlebens. Die Fragen: Welche Hoffnung stärkt mich, welcher Trost hält mich, welche Sehnsucht lockt mich? Wie finde ich Frieden mit mir selbst und meinen Mitmenschen, meiner Eigenartigkeit und Sterblichkeit, meinen Stärken und Schwächen? Auch die Fragen: Woher komme ich – und wohin gehe ich?

Das braucht die Einsicht, dass wir nicht über Gott verfügen, Gott aber auch nicht (ver)schweigen müssen. Theologie ist das Bemühen auf Gott zu antworten.
Es kann sehr erhellend sein, die Fragen und Antworten, die wir dabei gefunden haben, auch mit den Naturwissenschaften ins Gespräch zu bringen.

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