Kooperation in der Gemeindeleitung

Gemeindeleitung sollte immer zwei Aspekte berücksichtigen, die Begleitung und Unterstützung des Gemeindelebens und die rechtsichere und strategische Verwaltung. Dabei helfen klare Ziele, klare Zuständigkeiten und eine gute Kommunikation nach Innen und Außen.

Warum ist kooperative Gemeindeleitung so nötig? – Ein Exkurs

Lange Zeit war unsere Zusammenleben duch stabile Strukturen und langsam gewachsene Selbstverständlichkeiten geprägt. Erwachsene konnten sich an Erlebnisse erinnern, die die Jugendlichen der nächsten Generation ähnlich erlebten. Die unbewussten Spielregeln des Zusammenlebens galten generationsübergreifend. Das ist heute anders. Das Tempo der Veränderungen ist so schnell geworden, dass in jeder Generation hohe Anpassungsleistungen erbracht werden müssen, um auf aktuelle Herausforderungen angemessen reagieren zu können. Es reicht nicht mehr, Traditionen zu erlernen und zu bewahren, um darin Antworten für die Gegenwart zu finden. Das gilt für die meisten Lebensbereiche und Institutionen und auch für die Kirche und die Aufgaben der Gemeindeleitung.

Beispiel Kirchenvorstand

Jede Kirchengemeinde entwickelt ein gewisses Profil ortstypischer Eigenarten. Es war sinnvoll, die damit verbundenen Spielregeln an neue Kirchenälteste weiterzugeben. Die Kirchengemeinde war das scheinbar zeitlos stabile Größere, dass sich selbst bestätigte und in dem neue Kirchenälteste nur ihren eigenen Platz finden und ihre eigene Prägung einbringen brauchten.
Wenn Kirche aber nicht mehr selbstverständlich ist, wenn Kirche immer wieder neu entstehen muss, müssen Kirchenälteste als Leitung proaktiv gestalten. Sie brauchen den Willen und die Übung darin, Prozesse für andere Mitarbeitende und Gemeindemitglieder zu gestalten, die die Institution Kirche immer wieder neu werden lassen. Sie müssen den Schatz der Tradition immer wieder in die Gegenwart hinein neu erfinden.

Der Wunsch ist groß, Gott möge doch der ewige Fels in der Brandung sein, auf dem wir als Kirche nur zu gründen brauchen. Die Bibel lehrt uns aber, dass das schon immer ein Missverständnis war. Der Ewige stellt sich selbst vor als “Ich bin der, als der ich mich erweisen werde.” (2 Mose 3,14 ) Gott ist das Wort, das Fleisch wird, das uns beruft, selbst lebendig und schöpferisch zu agieren und nicht nur zu reagieren. Jesus sagt immer wieder “Ihr habt gehört … ich aber sage euch.” Und Jesus vertraut sich und seine SchülerInnen der Führung jener lebendigen Geistkraft an, die uns begabt und zu eigenen, situationsabhängigen Antworten befähigt.

Kirchenvorstandsarbeit bedeutet geistbegabte Führung und zukunftsoffene Gestaltung der Gegenwart. Eine Voraussetzung dafür ist ein gemeinsam geteiltes Why – jenes Warum, das uns als Motivation verbindet, das uns beseelt, das, wofür wir uns engagieren.
Ein Werkzeug dieses Why zu leben, sind die Ziele, die wir uns setzen und verfolgen.

Ziele benennen und priorisieren

Ziele sind etwas anderes als ein Leitbild oder Wünsche.
Typische Formulierungen für ein Leitbild sind:
Wir sind Kirche Jesus Christi, einladend, hilfreich, und für alle offen … Das ist gut und kann helfen, das Selbstverständnis zu klären. Man kann daraus Ziele ableiten, muss es dann aber auch tun.
Typische Wünsche sind:
Wir wollen mehr Menschen für unsere Gottesdienste interessieren. Wir wollen Kirche für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sein. Wir wollen bleiben, wie wir sind. …
Wünsche können edel und verlockend sein. Sie können auch konkretes Handeln motivieren. Sie ersetzen aber nicht strategisches Handeln.

Ziele sind konkret und überprüfbar:
Wir wollen eine ordnungsgemäße Buchhaltung sicherstellen.
Wir wollen jährlich vier Gemeindebriefe und monatlich einen newsletter herausgeben.
Wir wollen für alle Mitarbeitende jährlich eine interne Fortbildung organisieren.
Wir wollen die Verwendung unserer Kirchensteuer nachhaltig budgetieren und setzen folgende Schwerpunkte …

Der Kirchenvorstand ist das Leitungsorgan der Kirchengemeinde. Zu seinen Aufgaben gehört es, eine verbindliche Liste von Ziele zu benennen, zu priorisieren und auf Realisierbarkeit zu überprüfen. Dann kann der Kirchenvorstand zielgerichteten Schritte initiieren und begleiten und Mitarbeitende mit den nötigen Ressourcen ausstatten und sie beauftragen, den Weg auf diese Ziele hin, zu gehen.

Konkrete Ziele müssen ortsspezifisch und für konkrete Menschen ausgerichtet sein, das geht am besten dezentral und in einer flachen Hierarchie. Und – es geht leichter in einer ressourcenschonenden Kooperation, die Synergien nutzt.

Ein Beispiel aus der Wirtschaft sind dafür Franchise Unternehmen, die umso erfolgreicher agieren, wenn sie eine gemeinsame Idee, mit gemeinsamen Abläufen und individuelle Ausprägung, mit selbstständigen Mitarbeitenden ausbalancieren.

Wie kann eine Kooperation von Kirchengemeinden konkret werden?

Eine Kooperation ersetzt nicht konkrete Ziele, sondern setzt sie voraus.
Eine Kooperation braucht die Übereinstimmung in grundlegenden Zielen,
dann hilft sie, die grundlegenden Ziele gemeinsam zu erreichen
und schafft Raum für ortsspezifische und angepasste Lösungen.

Aus meiner Erfahrung hilft in einer Kirchengemeinde zunächst die Unterscheidung zwischen a) den Zielen für das Leben vor Ort mit den Aufgaben, die aus dem konkreten Gemeindeleben also den Bedürfnissen und Begabungen der Menschen erwachsen, die an einem Ort oder einem Projekt zusammenarbeiten und dann b) den Aufgaben, die aus den Anforderungen einer Institution des öffentlichen Rechts erwachsen. Für beide Bereiche:
Das konkrete Gemeindeleben (a)
und die Anforderungen an die Institution (b)
müssen Ziele benannt und Zuständigkeiten geregelt werden.

Reformierte Kirchengemeinden sind traditionell basisdemokratisch orientiert. Das bedeutet flache Hierarchie, aber auch umständliche Klärungsprozesse. Ein typischer Gegenentwurf sind autoritäre Strukturen, die sehr effizient sein können, weil sie wenig Spielraum zulassen. Eine echte Alternative sind verbindliche Ziele mit abgestimmten Verfahren und die gabenorientierte Delegation von Aufgaben mit bedürfnisorientierten Lösungen – man kann es auch einfach Teamwork nennen.

Ich fass die Schritte zusammen:

1. Ziele

Der erste unerlässliche Schritt ist es, möglichst alle Ziele zu benennen und zu beschreiben und sie zu priorisieren
nach unerlässlich, weil grundlegend,
notwendig, weil hilfreich,
und wünschenswert, weil verheißungsvoll.

2. Verfahren

Der nächste Schritt sind gemeinsame Verfahren, deren Einhaltung es erleichtert, die Ziele zu erreichen.

3. Delegation

Der dritte Schritt ist die Delegation von Zuständigkeiten und Verantwortung,
damit alle Mitarbeitenden sich selbstwirksam und gabenorientiert einbringen können,
individuelle Spielräume ausgestalten und synergetisch zusammenarbeiten können.

4. Verabredungen

Unerlässlich sind dafür klare gemeinsame Spielregeln,
eine Kultur, die Fehler erlaubt, wenn aus ihnen gelernt wird,
und die Fähigkeit Erfahrungen zu reflektieren und zu kommunizieren.

5. Ergebnis

Wenn diese Schritte in einer Gemeinde gegangen werden, dann hilft das sehr.
Wenn diese Schritte gemeinsam koorddiniert in mehreren Gemeinden gegangen werden, hilft und gelingt eine Kooperation.

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