Die beste Sensorgröße für deine Kamera: Vollformat oder APS-C / MFT?

Diese Frage wird oft sehr emotional diskutiert: Was ist besser und solltest du haben? Es gibt aber keine allgemein richtige Antwort! Denn es ist eine sehr komplexe Frage mit vielen Faktoren, die sich gegenseitig beeinflussen. Am Ende empfehlen viele Profis den AnfängerInnen mit guten Grund eine APS-C Kamera – und erzeugen genau damit das Gefühl, dass APS-C eben nur etwas für AnfängerInnen ist und sie selbst aber mit gutem Grund zur Vollformat-Kamera greifen. Dabei kann eine Vollformat-Kamera sehr wohl der richtige Einstieg sein und Profis nutzen sehr wohl auch MFT-Kameras.

Ich habe einige Zeit gebraucht, bis ich mich durch den Dschungel der Argumente gekämpft habe. Das sind die Hintergrundinfos und Einfluss-Faktoren, die ich dabei gefunden habe:

  • Profi greifen meist zum Vollformat – vor allem wegen Image, Bildwinkel und Bokeh.
  • Die Tipps der Profis zu Brennweiten und Blenden, gelten dann (fast) immer für Kameras und Objektive für das Vollformat.
  • Der APS-C Sensor zeigt von der Brennweite der Objektive „nur“ einen Ausschnitt – ist also mit einem Faktor beschnitten = gecropt. Der Cropfaktor ist bei Sony 1,5, Canon 1,6, MFT 2. Und dieser Ausschnitt zeigt immer einen kleineren Bildwinkel – also weniger Weitwinkel – aber auch mehr Tele.
  • Der APS-C Sensor erzeugt mit derselben Blende im Vergleich zum Vollformat auch weniger Tiefenunschärfe (Bokeh), stellt also etwas weniger frei. (Aber auch Blende, Brennweite und Kamerastandort erzeugen das Bokeh und nicht zuerst die Sensorgröße. Mit einem 50 mm f 1.8 APS-C Objektiv und dem Motiv nah vor der Kamera und mit Abstand zum Hintergrund erzeugst du auch mit APS-C mehr als genug Bokeh.)
  • Viele Objektive sind für das Vollformat konstruiert. Die sind meist größer, schwerer und teurer, passen aber auch an kleinere Sensoren, jedoch anders herum nicht. Und es gibt weniger APS-C Objektive (wie Canon EF-S [statt EF für Vollformat] oder Sigma DC [statt DG für Vollformat]), die tatsächlich leichter und preiswerter sind und dabei auch eine große Blendenöffnung haben.
  • Oft wird vermischt und pauschalisiert, dass größere Sensoren mehr Licht einfangen und weniger Iso-Rauschen erzeugen, also im Dunkeln bessere Ergebnisse erzielen.
  • Tatsächlich beeinflusst zuerst die Größe der Blende vom Objektiv die Lichtmenge, die überhaupt auf den Sensor fällt und erst dann die Größe bzw. Menge der Pixel / Dioden, die auf einem Sensor verbaut sind. Außerdem beeinflussen die Oberfläche und Filter des Sensors und am Ende auch der Prozessor + die Software, die aus den Pixeldaten ein Bild errechnen, wie hell bzw. verrauscht ein Bild ist.
  • Die Größe des Sensors ist ein Kostenfaktor, aber auch die Menge der Pixel (Auflösung), die Qualität der Oberfläche, die Rechenleistung des Prozessors, das Können der Software. Die Summe dieser Faktoren macht den Preis einer Kamera und nicht zuerst die Größe des Sensors. Deshalb gibt es gute und weniger gute APS-C Kameras mit entsprechenden Preisunterschieden. Und eine gute APS-C Kamera ist besser, als eine billige Vollformat-Kamera.
  • Die Größe des Sensors braucht Platz in der Kamera. Vollformat-Kameras sind deshalb meist größer, was manche gut finden für die Handhabung, aber auch stören kann beim Einpacken und Tragen. Aber auch das ist ein Klischee, denn es gibt kleine, kompakte Vollformat-Kameras wie die Sony A7er-Reihe.
  • Angeblich sind APS-C Kameras leichter. Das stimmt so nicht. Oft ist ein kleinerer Akku verbaut und außerdem ein leichteres Objektiv daran. Diese Kombination ist leichter.
  • Profis greifen zur APS-C Kamera, wenn sie auf die Größe achten und zum Beispiel im Telebereich ein kleines Packmass brauchen.

Kurz: Der Vergleich Vollformat mit APS-C bzw. MFT oder Smartphone-Sensoren hinkt meistens, weil Äpfel mit Birnen verglichen werden und die Sensorgröße synonym für die Qualität oder Lichtstärke gebraucht wird. Darum gehe ich noch etwas tiefer auf die Frage ein: Bringt ein größerer Sensor mehr Licht?

Sensorgröße und Lichtstärke

Generell heißt es immer wieder, ein größerer Sensor sammelt mehr Licht ein. Vordergründig stimmt das auch. Eine größere Solarzelle liefert ja auch mehr Strom. Aber in der Praxis hängt die tatsächliche Leistung eben nicht vor allem von der Größe, sondern noch vielen anderen Faktoren ab.

Es gibt ein nettes Testvideo (Riko Best auf YouTube), wo dasselbe Objektiv mit den selben Einstellungen für Blende und ISO einmal an eine Vollformat- und einmal an eine APS-C Kamera geschraubt wird. Und siehe da, an beiden Kameras brauche ich dieselbe Belichtungszeit. Beide Kamerasensoren sammeln also gleich viel Licht ein?

Worauf das Video nicht eingeht ist, dass in diesem Beispiel die Vollformat-Kamera (Canon R) im Sensor 30,3 Megapixel verbaut hat und die APS-C Kamera (Canon R7) im Sensor 32,5 Megapixel, also annähernd gleich viel. Die Pixel-Dioden haben also bei der Vollformat-Kamera mehr Platz, sollten also größer und lichtstärker sein. Der angegebene Pixelpitch bei der Canon R ist auch tatsächlich 5,3 µm und bei der R7 nur 3,2 µm. Das wirkt sich aber gar nicht aus. Wieso?
Weil der Prozessor und die Software aus den Sensordaten erst das Bild berechnen. Darum kann ein hochwertiges Smartphone mit vergleichbar winzigen Sensor und vielen sehr kleinen Pixel/Dioden ein helles Bild „ausrechnen“.

Rein physikalisch sammelt der größere Sensor mit größerem Pixelpitch mehr Licht. Aber auch diese Daten werden dann erst berechnet. Und moderne Prozessoren kompensieren das. In der Praxis hat die Leistung vom Objektiv eine viel größere Auswirkung auf die Lichtstärke und Fotoqualität als der Sensor.

Was ist wirklich wichtig

Die Sensorgröße (genauer die Größe der Pixel/Dioden > Pixelpitch) ist ein Faktor bei der Bildqualität. Er ist für die Lichtstärke aber weniger relevant als es erscheint. Da spielt die Qualität der Dioden, der Oberfläche mit den Filtern auf dem Sensor und noch mehr die Leistung des Prozessors eine größere Rolle.

Was du wirklich beeinflussen kannst, ist das Objektiv. Für einen größeren Bildausschnitt (Blickwinkel) brauchst du beim Vollformat weniger Brennweite. Als Equivalent für ein 24-70 mm Standardzoom am Vollformat brauchst du z.B. ein Sigma 18 – 50 mm am APS-C Sensor – beide gibt es in der Canon-Welt mit Offenblende 2.8. Für mehr Licht und mehr Bokeh hilfst dir eine offenere Blende mehr als ein größerer Sensor.

Für das gleiche Bokeh brauchst du am APS-C Sensor eine Blende größer. Da gibt es das 18-35 mm f 1,8 von Sigma und das 50 mm f 1.8 von Canon – beide für den APS-C Sensor. Sie bieten beide mehr Licht, als die Kombination Canon Vollformat mit 24-70 mm Standardzoom f 2.8.

Es sind einfach zwei Varianten, aber nicht eine bessere oder schlechtere.

Und was empfehle ich dir nun?

Mach gute Bilder – und zwar zuerst mit dem Smartphone!

Und wenn du in die Welt der Systemkameras einsteigen willst, dann schau zuerst in deinen Geldbeutel. Es gibt sehr gute Kombinationen aus lichtstarken Objektiven sowohl für MFT, APS-C wie auch Vollformat-Kameras. Die vielen Tipps, welche Objektive du unbedingt brauchst, sind aus meiner Sicht oft zu wenig konkret und gehen meist gar nicht auf den Cropfaktor an deiner Kamera ein.

Konkret gibt es eine spezielle Kombination nur in einer System-Welt (Canon, Sony, Lumix …) Ich bin in der Canon-Welt unterwegs und habe meine Kombinationen mit der hochwertigen R7 als APS-C Kamera für verschiedene Anwendungsbereiche „relativ“ preiswert gefunden – siehe unten.

Du wirst und musst eigene Erfahrungen sammeln. Trau dich einfach. Und vertrau nicht so sehr auf die pauschalen Urteile, welche Kamera und welches Objektiv gut, besser, am besten sind. Achte einfach auf eine gute Offenblende und die Brennweite – umgerechnet mit dem Cropfaktor für deinen Sensor. Und beachte die anderen Erfolgsfaktoren für gute Fotos. (Dazu gibt es demnächst einen eigenen Artikel.)

Meine Lösung in der Canon-Welt

Ich nutze aktuell sehr gerne eine Canon R7 (APS-C mit 32,5 Megapixel für derzeit 1600 € plus EF-an R-Adapter 100 €). Zum einen mit dem relativ alten Sigma 17-50 mm f 2.8 DC (ein APS-C Objektiv derzeit nur gebraucht für 250 – 400 €) – was einer Brennweite von 27 – 80 mm und dem Bokeh der Blende 4 an einer Vollformat-Kamera entspricht.
Für mehr Bokeh und mehr Licht nutze ich auch die Kombination Sigma 18-35 mm f 1.8 DC (derzeit 760 €) und ein Canon 50 mm f 1,8 EF-S (120 €) – was einer Brennweite von 29 – 50 mm plus 80 mm und dem Bokeh der Blende 2.8 an einer Vollformat-Kamera wie der Canon R8 entspricht. Die Vollformatlösung mit dem 24-70 mm ist aber bei gleicher Leistung rund 500-1000 € teurer.

Noch mehr Weitwinkel und Nachtaufnahmen bietet übrigens mein Smartphone mit einer Qualität, die für Webseiten und Social-Media völlig ausreicht.
Und wenn ich doch mal eine hochauflösende Weitwinkelaufnahme von einem Gebäude oder einer Landschaft brauche, hat meine R7 eine Panoramaeinstellung :-).

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