Eine Zwischenschau
Covid 19 hat uns im März 2020 in vieler Hinsicht herausgefordert. Wir haben flexibel und kreativ reagiert und auch unser Kommunikationsverhalten verändert. Was wird und sollte davon bleiben?
Beobachtungen
Durch Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen haben wir schnell nach alternativen Kommunikationswegen zur Kontaktpflege gesucht. Briefe und Telefonate waren uns ja vertraut und wir haben sie wieder vermehrt gebraucht. Nicht nur Kinder haben Bilder gemalt oder etwas gebastelt und verschenkt. Und – wir haben die neuen Medien intensiv genutzt: Wir haben E-Mails geschrieben und Social Media Posts gesendet. Viele haben zum ersten Mal eine Video-Konferenz durchgeführt. Gottesdienste fielen nicht nur aus, sondern wurden gestreamt und online gefeiert.
Manches war dabei noch unbeholfen und fühlte sich fremd an, aber es hatte auch seinen Charme und es waren nicht nur Notlösungen.
Unsere Webseite und unser Newsletter halfen, konkrete und aktuelle Informationen mit vielen Menschen gleichzeitig zu teilen. Wir haben selbst Online-Videos erstellt: Der vertraute Geburtstagsgruß aus dem Gottesdienst von Ina, Waltraud als Geschichtenerzählerin, Josephine und Ingrid mit ihrer Musik oder ein Abendgruß vom Pastor verbinden uns – auch, weil wir uns aus dem echten Leben kennen. Unsere liturgische Fürbitte am Karfreitag hat sogar mehr Menschen erreicht, als gewöhnlich zum Gottesdienst gekommen wären. Und es tat gut, zumindest zu wissen, dass andere zeitgleich mit mir während des Glockenläutens eine Kerze anzünden und beten.
Uns wurde aber auch bewusst, wie kostbar es ist, draußen spazieren zu gehen und Menschen zumindest mit Abstand wirklich treffen zu können, weil wir körperlich sind und leibliche Erlebnisse brauchen. So haben wir auch für die analoge Kommunikation vor Ort Lösungen gefunden: Die Bilder der Kindergartenkinder ausgestellt im Baum vor unserem Kindergarten, die Tüten vom Kinderkirchenteam bereitgestellt an unserer Kirche, der Kreuzweg am Karfreitag, der zum Osterweg am Ostersonntag wurde, und bei Spaziergängen mit eigenen Impulsen ergänzt wurde.
Ja, wir haben eine Krise, aber auch gute Erfahrungen gemacht.
Schlussfolgerungen
Zwischen den mühsamen und positiven Erfahrungen der letzten Wochen wird uns langsam immer bewußter, dass uns Covid-19 noch lange herausfordert. Der Infektionsschutz muss aufrechterhalten bleiben und in all unsere Überlegungen zum Gemeindeleben eingebunden werden. Dazu müssen soziale und wirtschaftliche Nachwirkungen, die immer deutlicher werden, aufgearbeitet und begleitet werden. Das bedeutet weitere Achsamkeit und Veränderungsbereitschaft für uns als Kirchengemeinde.
Wir wussten schon vor Corona, dass es besonders gut ist, wenn analoge und digitale Kommunikation sich ergänzen. Die Herausforderungen durch Covid-19 haben uns bewusster gemacht, dass beide ihre je eigenen Vorteile haben. Es bleibt falsch, sie gegeneinander auszuspielen oder eine davon zu ignorieren. Was wir aus der Not heraus und unter Zeitdruck jetzt versuchen, können wir aber erproben, verbessern und das Gute verstetigen. Wir können überlegen, wie wir unser Gemeindeleben zukünftig so gestalten, dass die je eigenen Vorteile lokaler und digitaler Angebote deutlicher zur Geltung kommen und sich gegenseitig entlasten! Dazu einige Anregungen:
1. Gottesdienst
Im Gottesdienst kommen wir zusammen, um gemeinsam zu beten, zu singen, auf Gott zu hören, um den Segen zu bitten – und uns zu treffen. Lange Zeit ging das überhaupt nur und ausschließlich analog und vor Ort. Es gab einfach keine oder kaum eine Alternative. (So wie es vor dem Buchdruck nur für die Reichen Schriften und sonst fast nur mündliche Überlieferung gab.)
Mit der Gewöhnung an Gottesdienste in der Kirche vor Ort, haben wir aber oft ignoriert, dass wir damit schon immer bestimmte Menschen ausgeschlossen haben. Wer verreist ist, am Sonntag im Krankenhaus arbeitet oder nicht aus dem Haus gehen kann – bleibt vom analogen Gottesdienst ausgeschlossen. In all diesen Fällen ist ein Gottesdienst, der im Fernsehen oder auf Youtube gesendet wird, keine Notlösung, sondern eine Lösung der Not. Digitale Angebote nutzen gerade auch älteren Menschen, wie all die gelungenen Beispiele gezeigt haben, in denen Angehörige persönliche Grüße per Video in die Wohnung, ins Krankenhaus und ins Seniorenheim gebracht haben.
Weil reale Treffen dennoch einen unverzichtbaren Mehrwert haben, sollten unsere analogen Gottesdienste dann aber auch wirklich mehr sein, als ein Ritual, das auch vor leeren Kirchenbänken durchgeführt und gefilmt werden kann. Die Kirche vor Ort sollte Treffpunkt sein und der Gottesdienst persönliche Begegnung und Nähe fördern, Zeit und Gelegenheit für das spontane Gespräch und unterstützende Rituale wie Kirchkaffee und gemeinsames Essen bieten.
Analoge Treffpunkt-Gottesdienste vor Ort in der Kirche brauchen zukünftig mehr Zeit für die wirkliche Begegnung. Dafür täte ihnen ein erhöhter Aufwand für eine gastliche Gestaltung gut.
[ Unter den besonderen Anforderungen des Infektionsschutzes ist das derzeit aber besonders schwierig. Die EKD hat dazu » Eckpunkte beschrieben, die leider realistisch sind, aber auch gruselig klingen. ]
Andererseits sollten digitale Gottesdienste auch nicht einfach eine analoge Veranstaltung abfilmen, sondern einen eigenen medialen Mehrwert bieten. Also Menschen an unterschiedlichen Orten beteiligen, die kreativen Möglichkeiten des Mediums Film einsetzen und mediale Interaktionen einbinden. Digitale Online-Gottesdienste sind nicht an einen festen Zeitpunkt und Veranstaltungsort gebunden und können neue kreative Möglichkeiten der Verkündigung nutzen. Sie bedeuten aber einen erhöhten Aufwand für die Produktion.
[ Der Infektionsschutz ist dabei einfach umzusetzen, die Teilgabe für digital Ungeübte braucht aber hilfreiche Ideen. ]
Im Spannungsfeld der je eigenen Chancen und Grenzen des Gottesdienstes vor Ort im Kirchengenbäude und zu einer verbindlichen Zeit einerseits und des Online-Gottesdienstes für Zuhause im Wohnzimmer oder auf der Terrasse, im Krankenhaus oder Pflegeheim, morgens um 06:00 oder 10:00 Uhr bzw. abends um 18:00 oder 22:30 Uhr andererseits gibt der Sonntag den Rhythmus vor aber nicht die Gottesdienstform.
Konkretionen für den Übergang
A: Für den zweiten Sonntag nach Ostern habe ich eine Lesepredigt geschrieben. Ein Ausdruck hängt am Tor zur Kirche zum Abholen für Gemeindeglieder und Spaziergänger. Das war die Anregung einer Kirchenältesten, die ich gerne aufgenommen und mit einem Beitrag auf der Webseite zu den vorhandenen Angeboten verbunden habe. (Ein QR-Code-Link auf dem Predigtausdruck führt auch dorthin.) Digital ist ein Bild aus dem Inneren unserer wunderschönen Kirche zu sehen. Zu hören sind zwei Orgelstücke aufgenommen von unserer Organistin Ingrid Stein und auch die Predigt. Dazu habe ich habe ein Gebet geschrieben, dass alle lesen bzw. in ihrem eigenen Tempo mitbeten können. Dies ist ein konkreter Versuch, das Evangelium analog und digital zu teilen.
B: Seit Beginn der Ausgangsbeschränkungen bietet der Erprobungsraum unserer Landeskirche Kirche.plus jeden Sonntag einen kompletten Online-Gottesdienst mit Chat für Grüße und Fürbitten. Ich habe ihn regelmäßig zuhause angeschaut und “mitgefeiert” und mit meiner Liebsten darüber diskutiert, was daran schön und was beschwerlich ist.
Dabei ist uns bewußt geworden, dass schon der Gang zur Kirche mehr als eine Voraussetzung zur Teilnahme ist – er ist auch Einstimmung und innere Vorbereitung. Das geht beim Online-Gucken leicht unter.
Deshalb möchte ich auch für den Online-Gottesdienst einen speziellen Ort vorbereiten und aufsuchen. Das kann im Haus oder draußen sein. Im Haus könnte das ein Tisch mit einer besonderen Decke, eine Kerze und vielleicht das Gesangbuch und die Hausbibel, ein schöner Stein oder eine Figur, aber auch ein Getränk und ein Stück Brot sein. Draußen eine Parkbank oder eine Decke unter einem Baum oder auf der Wiese … und auch ein Picknick.
Wir könnten sogar unser besonders schönes und vertrautes Kirchenfenster in einem Rahmen anbieten – in A4 für den Tisch oder die Picknickdecke bzw. richtig groß in A1 für die Wand daheim.
So können wir auch unter strengen Kontakteinschränkungen Gottesdienst feiern – sogar ganz leiblich und gemeinsam mit den vertrauten Menschen der Hausgemeinschaften oder speziell verabredet mit einer Freund*in.
Mögliche Konkretion C:
Einen besonderen Ort haben wir ja schon – unser Kirchgebäude. In den kommenden Wochen könnten wir den Online-Gottesdienst über den Beamer auch in unserer Kirche vor Ort zeigen. (Seit dem 25.4. haben wir dort Wlan 🙂
Wir könnten mit Rücksicht auf den Infektionsschutz mit Abstand in einzelnen Kirchenbänken den lippischen Online-Gottesdienst gemeinsam ansehen und anhören. Und ergänzend dazu gemeinsam vorher und im Anschluss auch ein Ritual teilen: die Kerzen am Lichterbaum, der Segen mit ausgebreiteten Händen und einzelne Gesprächsmomente mit Mundschutz vor der Kirche.
Aber wieso ab dem 3. Mai nicht gleich einen eigenen Gottesdienst wie früher anbieten? Eben wegen der Gemeinschaft auch mit dem Online-Gottesdienstteam und allen die diesen Gottesdienst zuhause erleben; weil uns das stellvertretende Singen des Online-Teams das Hauchen in den Mundschutz in der Kirche erspart; weil die stille Phase mit Abstand sich deutlich von dem leiblichen Gemeinschafterlebnis unterscheiden und ergänzen lassen.
Mögliche Konkretion D:
Und natürlich könnten wir auch ergänzend dazu eigene Online-Gottesdienste vorbereiten und erstellen, die wir dann genauso in der Kirche gemeinsam anschauen und mit den Interessierten zuhause und unterwegs, sogar im Krankenhaus oder im Seniorenheim teilen. Zum Beispiel zu den besonderen Sonntagen des Kirchenjahres mit Einzelnen aus unseren Gemeindegruppen unterstütz von unserem erfahrenen Gottesdienstteam und vernetzt mit unserem Erprobungsraum Gemeinsamkirche.
2. Gemeindegruppen und Veranstaltungen
Viele sehnen sich danach, die gewohnten Gemeindegruppen und Veranstaltungen bald wieder aufnehmen zu können. Das wird leider noch lange dauern – zum Beispiel bis ein wirksames Medikament oder eine Schutzimpfung gefunden ist – also noch Monate. Aber schon heute könnten wir üben, unsere Gruppen jetzt und auch zukünftig bewusster digital zu begleiten und zu ergänzen. Dazu könnten die Gemeindegruppen sich je über eine Gruppe beim Messangerdienst Signal verbinden und regelmäßig kurze Infos an den Newsletter unserer Gemeinde weitergeben und teilen.
Wir könnten uns gegenseitig erzählen und inspirieren, mit welchen Mitteln wir den Kontakt pflegen und halten.
3. Neue Angebote
Dabei könnte ein Gemeinde-Podcast ein hilfreiches, neues Angebot sein. Ein Podcast ist wie eine Radiosendung, die ich mir auch zeitversetzt unterwegs und zuhause anhören kann. Also auch wie ein lebendiger Newsletter mit Stimme und Musik.
Ein Team von Mitarbeitenden könnte mit dem/der Pfarrer*in Themen besprechen und aufbereiten, aber auch regelmäßig Gäste aus allen Gemeindegruppen interviewen und beteiligen und so zu einem lebendigen Informationszentrum werden, das regional verwurzelt ist und Menschen über den Kirchturm hinaus digital vernetzt.
Diskussion
Wie soll es weitergehen? Welche vertrauten Formen des Gemeindelebens können wir bald wieder aufnehmen? Welche Veränderungen sollen wir üben und eventuell verstetigen? Was meint ihr? Schreibt es bitte in den Kommentar.